Am Tag nach der Budgetrede von Finanzminister Markus Marterbauer haben heute führende Vertreter des österreichischen Sports im Haus des Sports in Wien Stellung zu den geplanten Einsparungen bezogen. Sie warnten vor massiven und schmerzhaften sowie nachhaltigen Auswirkungen auf Spitzen- und Breitensport und zeigten gemeinsam auf, welche Maßnahmen jetzt notwendig sind, um die Zukunft des organisierten Sports in Österreich abzusichern.
Im Zentrum der gestrigen Budgetrede stand der Sparkurs der Bundesregierung. Auch der Sport ist davon massiv betroffen: Im Doppelbudget 2025/26 sind deutliche Kürzungen der Fördermittel vorgesehen. Sport Austria-Präsident Hans Niessl warnt vor den weitreichenden Folgen für das gesamte Sportsystem.
30 Millionen Euro weniger für den Sport
Die staatlichen Fördermittel sinken im Vergleich zum Vorjahr um rund 30 Millionen Euro – aus Sicht von Sport Austria entspricht das einem Rückgang von rund 13 Prozent. Betroffen sind sowohl der Spitzen- als auch der Breitensport sowie die gesamte Vereinslandschaft.
Die Kürzungen im Überblick:
- Besondere Bundes-Sportförderung: von 120 Mio. Euro (2024) auf 110 Mio. Euro (2025)
- Allgemeine Bundes-Sportförderung: von 104,88 Mio. Euro auf 85,04 Mio. Euro
- Gesamtes Sportbudget inkl. GmbH der Bundessporteinrichtungen: von 231,53 Mio. Euro auf 201,69 Mio. Euro
„Diese Kürzungen gefährden das Fundament des Sports“
„Österreich muss sparen – das gilt auch für den Sport. Doch wir müssen aufpassen, dass das bewährte Sportsystem an der einen oder anderen Stelle nicht ins Wanken gerät oder gar kippt“, warnt Hans Niessl und betont, dass es – wie kolportiert – zuletzt auch keine überproportionale Förderung des Sports gegeben habe: „Die Erhöhung der Besonderen Bundes-Sportförderung von 80 auf 120 Millionen Euro im Jahr 2023 ist schon wieder von der Inflation aufgefressen worden. Davor wurde rund ein Jahrzehnt nicht erhöht!“ Aktuell sei besonders kritisch, dass der Sport gleich doppelt unter Druck gerate: Einerseits durch die geplanten Förderkürzungen, andererseits durch mögliche Rückgänge im Sponsoring. Letztere könnten entstehen, wenn Wettanbieter versuchen, die seit 1. April geltende Erhöhung der Wettspielabgabe von 2 % auf 3,5 % – und ab 1.1.2025 auf 5 % – zu kompensieren.
Niessl fordert daher: „Diese Einschnitte sind für den organisierten Sport fatal! 540.000 Ehrenamtliche, die sich 1,9 Millionen Stunden pro Woche unentgeltlich für die Gesellschaft engagieren, werden abermals mit harten Einschnitten konfrontiert! Der Sport nimmt das zur Kenntnis und ist auch bereit, seinen Beitrag zu leisten. Jedoch müssen diese Einschnitte zwingend auf zwei Jahre begrenzt sein, um keinen nachhaltigen, irreparablen Schaden in den Strukturen zu verursachen! Danach braucht es zwingend ein Comeback-Paket – das haben wir auch bereits Staatssekretärin Michaela Schmidt mitgeteilt und wir werden auch weiterhin den Dialog mit der Regierung suchen. Der Sport benötigt Planungssicherheit und vor allem Impulse, um seine Rolle als gesellschaftlicher Motor erfüllen zu können.“
Das geforderte Comeback-Paket ab 2027 soll unter anderem folgende Maßnahmen enthalten:
- Rückkehr zum Ausgangsniveau der Besonderen Bundes-Sportförderung von 120 Mio. Euro sowie der Allgemeinen Bundes-Sportförderung von rund 105 Mio. Euro
- Wiedereinführung der erfolgsorientierten Komponente im Glücksspielgesetz
- Zweckwidmung der erhöhten Wettspielabgabe für den Sport in Höhe von mindestens 50%
- Umsetzung einer Infrastrukturoffensive
- Längst fällige Ausrollung der täglichen Bewegungseinheit zum Wohle unserer Kinder und Gesellschaft
- Maßnahmen zur Entbürokratisierung und Verwaltungsvereinfachung zur Stärkung ehrenamtlicher Strukturen
Leistungssport unter Druck
Harald Mayer, Vizepräsident für Leistungs- und Spitzensport, warnt eindringlich: „Ein derartiger Rückgang der Mittel würde in der Wirtschaft sofort Restrukturierungen auslösen. Auch wir müssen nun Pläne überarbeiten, Trainingslager absagen und internationale Wettkampfteilnahmen infrage stellen. Das betrifft nicht nur unsere Athlet:innen, sondern auch Trainer:innen, medizinisches Personal und ganze Verbände. Kleineren Verbänden droht im schlimmsten Fall sogar die Schließung.“
Mayer weiter: „Der Weg vom Sportland zur Sportnation wird so deutlich länger. Notwendige Investitionen, etwa in Sportstätten für Schwimmen, Ballsport oder Radsport, geraten ins Wanken. Dabei haben unsere Spitzensportler:innen in der Vergangenheit mit herausragenden Leistungen regelmäßig das ganze Land mit Stolz erfüllt – sie sind Vorbilder für unsere Gesellschaft.“
Er ergänzt: „Diese Einsparungen müssen akzeptiert werden, dürfen aber keinesfalls über die Zeit der Budgetkonsolidierung hinausreichen. Unsere Athlet:innen arbeiten mit unglaublichem Einsatz und Hingabe an ihren Zielen. Sie müssen davon leben können – und die Verbände brauchen dringend administrative Vereinfachungen. Bei Kürzungen der Fördermittel sollte sich auch der Fördergeber überlegen, ob die aktuellen Zielindikatoren noch zeitgemäß sind oder auf die neue Situation angepasst werden müssen.“
Mayer appelliert: „Nutzen wir diese Phase zur Neuplanung: Ein Comeback-Stronger-Paket und ein österreichweites Konzept für professionelle sportwissenschaftliche und sportmedizinische Betreuung müssen jetzt vorbereitet werden – um die Folgen von Förderkürzungen, rückläufigem Sponsoring und wirtschaftlicher Unsicherheit abzufedern.“
Nussbaumer: „Stillstand bedeutet Rückschritt“
ÖOC-Präsident Horst Nussbaumer: „Unsere Athleti:innen, die sich für Olympische Spiele qualifizieren, gehören meistens zu den allerbesten der Welt. Das ist nur möglich, wenn man unter entsprechenden Bedingungen trainiert. Das kostet natürlich Geld. Ich fühle mich verpflichtet, dafür zu sorgen, dass unsere Spitzensportler:innen genau diese Bedingungen vorfinden. Sie haben Vorbildfunktion für die Gesellschaft. Ich glaube an das Comeback-Stronger-Modell, Tatsache ist aber auch, dass die Winterspiele 2026 vor der Tür stehen. Unsere Sportler:innen dürfen keinen Nachteil gegenüber den Athlet:innen anderer Länder haben – weder im Wettkampf noch im Training.
Ich stehe dafür, dass wir alles dahingehend optimieren, damit sich unsere Fachverbände, die es gewohnt sind mit wenig Geld auszukommen, gut auf die Winterspiele vorbereiten können. Weiters müssen wir in Hinblick auf Los Angeles 2028 die bestmöglichen Bedingungen schaffen. Denn nur bei uns wird gespart und im Sport bedeutet Stillstand immer einen Rückschritt. Wir müssen zusammenhalten. Es geht darum, dass wir am Ende des Tages unseren Sportler:innen in die Augen schauen können. Wir sind in engem Kontakt mit den Fachverbänden. Ihnen ist bewusst, dass es zielgerichtete Maßnahmen braucht. Die Sportler:innen dürfen neun Monate vor Milano Cortina nicht merken, dass gespart werden muss. Alle Funktionär:innen wissen, worum es geht.“
Breitensport hilft Gesundheitswesen – Tägliche Bewegungseinheit als Zukunftsprojekt sichern
Peter McDonald, Vizepräsident für Breitensport, verweist auf den hohen volkswirtschaftlichen Nutzen: „Der organisierte Sport spart dem Gesundheitssystem jährlich rund 530 Millionen Euro. Würde es gelingen, die sportlich aktive Bevölkerung um nur zehn Prozent zu steigern, brächte das weitere 120 Millionen Euro an Einsparungen. Die Tägliche Bewegungseinheit (TBE) ist in diesem Zusammenhang ein ganz besonderes, zukunftsweisendes Projekt zur Gesundheitsförderung und erreicht bereits über 300.000 Kinder pro Jahr. Getragen wird sie von den drei Dachverbänden ASKÖ, ASVÖ und SPORTUNION, die über 335.000 Bewegungseinheiten mit 3.300 qualifizierten Coaches aus 700 Vereinen umsetzen.“
McDonald betont: „Dieses Projekt fördert nicht nur die körperliche und mentale Gesundheit der nächsten Generation, sondern trägt auch zur Bildungsqualität, sozialen Chancengleichheit und gesellschaftlichen Resilienz bei. Die TBE schafft zudem neue Arbeitsplätze und entlastet langfristig das Bildungs- und Gesundheitssystem. Deshalb müssen künftig alle einen Beitrag leisten, um dieses Projekt zu sichern und weiter auszubauen – nicht nur der Sport.“
Erwartungen als Entgegenkommen: Weniger Bürokratie, mehr Digitalisierung
„Wir wissen, dass unsere Vereine in der Vergangenheit durch übermäßige Bürokratie und komplexe Förderbedingungen stark belastet wurden“, erklärt McDonald. „Wenn der Staat nun spart, muss er im Gegenzug entlasten: durch weniger Verwaltungsaufwand, klare Förderkriterien und umfassende Digitalisierung. So können wir den Fokus wieder auf das Wesentliche legen: Bewegung und Gesundheit für alle. Unsere Vereine dürfen nicht unter Papierbergen zusammenbrechen, sondern müssen sich auf ihre Kernaufgabe konzentrieren können – Menschen zu bewegen.“
Nico Langmann (Rollstuhl-Tennis): Planungssicherheit ist entscheidend
„Wer in den Sport investiert, investiert in Gesundheit – unabhängig davon, ob im Para- oder Nicht-Para-Bereich“, betont Rollstuhl-Tennis-Profi Nico Langmann. „Viele glauben, Sportler:innen verdienen gut – das trifft vielleicht auf den Fußball oder Skisport zu, aber längst nicht auf alle. Kürzungen gefährden Existenzen und schrecken Nachwuchs ab.“
Langmann spricht aus Erfahrung: „Dank Sponsoren und Unterstützer:innen bin ich heute gut aufgestellt – aber das war das Ergebnis jahrelanger harter Arbeit. Als Athlet hat man kurzfristige Ziele, aber auch langfristige Pläne. Solche Kürzungen machen diese Planungen unsicher. Karrieren sind begrenzt – deshalb brauchen wir jetzt verlässliche Perspektiven. Es darf nicht passieren, dass junge Menschen sich gegen eine Sportkarriere entscheiden, weil es an Planungssicherheit fehlt. Das wäre fatal.“
Was muss nach der Konsolidierung passieren?
Nach der Phase der Budgetkonsolidierung braucht es jedenfalls einen strategischen Neustart: Im Comeback-Paket muss es auch einen „Masterplan Sport & Gesundheit“ geben. Dieser muss den Sport als integralen Bestandteil der öffentlichen Gesundheitsversorgung anerkennen und das Prinzip „Sport in all Policies“ umsetzen – von der Kindheit bis ins hohe Alter. Es darf nicht nur um Fördersummen gehen, sondern um Wirkung: Welche Beiträge leistet der Sport für die Gesellschaft – und wie kann er langfristig gestärkt werden?
Niessl: „Wir erwarten daher von Sportminister Andreas Babler und Sport-Staatssekretärin Michaela Schmidt, sich mit vollem Elan für eine Stärkung des Sports einzusetzen, die Rahmenbedingungen für den Sport zu entwickeln und Finanzierungen aufzustellen oder möglich zu machen, damit der Sport ab 2027 wirklich ein Comeback feiern und seinen Dienst an der Gesellschaft leisten kann. Sport ist nie Selbstzweck, sondern stets ein grandioses Mittel zum Zweck – und daher niemals Bittsteller! Wenn man ihn entsprechend dotiert, kann er Wunder wirken, ein Land begeistern und bewegen. Wenn man das auf Dauer nicht tut, gibt es Siege in allen internationalen Diabetes-Rankings quer durch alle Altersklassen statt Olympia- und WM-Medaillen. So einfach ist das…“
i. A. v. Sport Austria