Aus Teuerungslawine dürfen keine Teuerungs-Lockdowns werden!

Sport Austria
FOTO © Sport Austria/Leo Hagen
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Bei nicht wenigen der 15.000 Sportvereine könnte im Herbst im wahrsten Sinne das Licht ausgehen. Was dem organisierten Sport aktuell  zu schaffen macht und was derzeit helfen würde, um Stillstand im Sport zu vermeiden, wurde im Rahmen eines Medientermins am 9. September in Wien von Hans Niessl (Sport Austria-Präsident), Dagmar Schmidt (Präsidentin der SPORTUNION Wien), Martin Ohneberg (Präsident des Österreichischen Tennisverbands) und Arno Pajek (Präsident des Österreichischen Schwimmverbands) exemplarisch für die Gesamtsituation des heimischen Sports erläutert.

Nach Corona blickt Österreichs Sport nun wegen Inflation und Energiekostenexplosion in eine ungewisse Zukunft. Sport Austria fordert daher ein rasches Handeln der Bundesregierung ein: einerseits eine Ausweitung der Strompreisbremse auf eine Energiepreisbremse – auch für gemeinnützige Sportvereine – andererseits die überfällige spürbare Erhöhung der Besonderen Bundes-Sportförderung. Bei den derzeit angedachten Maßnahmen der Regierung im Kampf gegen die Teuerung muss der organisierte Sport mit seinen gemeinnützigen Vereinen mitgedacht und unterstützt werden!

Neben der Eigenverantwortung der Sportvereine, alle Möglichkeiten der Energieeinsparung noch bewusster und entschlossener zu nutzen, sind staatliche Unterstützungsleistungen zum Abfedern der explodierenden Energiekosten auch im gemeinnützigen Sport unbedingt notwendig. Sonst drohen Szenarien, dass Sportstätten, insbesondere Hallen, im Herbst nicht in Betrieb genommen oder nicht mehr entsprechend beheizt werden können! Mit fatalen wirtschaftlichen, aber auch gesundheitlichen Folgen für die Bevölkerung.

Zu aktueller Teuerung kommen 10 Jahre Inflation
Die Teuerung trifft alle gesellschaftlichen Bereiche, natürlich auch die Vereine und Verbände des organisierten Sports. Und das noch dazu vor dem Hintergrund, dass die Besondere Bundes-Sportförderung seit rund einem Jahrzehnt nicht mehr erhöht worden ist. In dieser Zeit hat die Inflation – also schon vor der aktuellen Rekord-Teuerung – diese gesetzlich vorgesehene Förderung um rund 90 Millionen Euro verringert, mehr als ein Jahresbudget der Besonderen Bundes-Sportförderung (rund 80 Mio., Anm.). Eine Sport Austria-Arbeitsgruppe hat Lösungsvorschläge für eine zukunftsorientierte Absicherung des Sports erarbeitet und der Politik vorgestellt. Die Signale der Politik waren positiv. Im Herbst müssen nun aber Ergebnisse geliefert werden! Erst recht in der derzeitigen Energie- und Teuerungskrise.

Auch im Schwimmverband ist man natürlich besorgt. Den Schwimmsport trifft die aktuelle Teuerungswelle ganz massiv und zwar nicht nur den Spitzen-, sondern auch den Breitensport. Schwimmen ohne geheizte Bäder und vor allem ohne geheiztes Wasser ist nicht möglich. Der Tennisverband wiederum befürchtet – wie freilich auch viele andere Sportarten – Auswirkungen der hohen Spritpreise auf die Mobilität der Eltern. Die Folge? Weniger Kinder bei den Trainings… Schlicht, weil es für viele nicht mehr leistbar ist. Dazu befürchtet man, dass einige Tennis-Hallen (in erster Linie Traglufthallen) heuer nicht aufsperren werden. So hört man von Tennisanlagenbetreibern, dass ihre Energiekosten von bis dato 50.000 Euro auf rund 175.000 Euro steigen werden. Die daraus resultierende Problematik liegt auf der Hand: Bei Hallenschließungen drohen natürlich auch Arbeitsplätze verloren zu gehen.

In Kärnten herrscht sogar die Angst vor, dass die Eissaison nicht stattfinden kann. Den Eishallen-Betreibern und den Betreibern von Freiluft-Anlagen machen ebenfalls die hohen Preise in den Bereichen Strom, Gas, Pellets, Benzin und Diesel zu schaffen. Eishallen in Spital, Radenthein, Steindorf, Velden, Althofen, St. Marein und Völkermarkt können wegen der Mehrkosten, wenn überhaupt, nur mit einem Risiko aufsperren. Aktuell geschlossen bliebe beispielsweise die Stocksporthalle Zöbern in Niederösterreich. Dort sieht sich der ESV D´Kohlgrabler aufgrund der hohen Energiepreise nicht in der Lage, das Eis für die Wintersaison 2022/23 zu finanzieren.

Natürlich leidet auch der Breitensport unter der Teuerungslawine. Das Union Sportzentrum Hietzing verfügt etwa über zwei große Sporthallen, einen Kraftraum, einen Tanzsaal und eine Indoor-Bogensportanlage. Gesamt-Bewegungsfläche 1.800 m². Ohne Garderoben und Kantinenbereich. Im Sportzentrum sind 30 verschiedene Sportvereine, 4 Schulen und 1 Kindergarten eingemietet. Insgesamt 150 Bewegungsstunden werden hier pro Woche in den Hallen durchgeführt. Diese Anlage verbraucht pro Jahr an die 500.000 kWH Gas und 90.000 kWH Strom. Man rechnet damit, dass hier die Kosten für Gas um rund 40.000 Euro höher sein werden als noch im Vorjahr. Beim Strom sieht man sich mit einer Preiserhöhung von rund 500 % konfrontiert.

Ohne Hilfe drohen negative wirtschaftliche und gesundheitliche Folgen
Wird von Seiten der Bundesregierung nicht rasch gehandelt und der gemeinnützige Sport in dieser Krisenzeit unterstützt, hätte das freilich auch negative volkswirtschaftliche Auswirkungen: Schließlich sorgt der Sport in Österreich in Normalzeiten laut SportsEconAustria direkt und indirekt betrachtet in seiner gesamten Ausstrahlung für 24,1 Mrd. Euro Wertschöpfung, 357.000 Arbeitsplätze, über 8 Mrd. Euro an Steuer- und Abgabenaufkommen und entlastet das Gesundheitssystem beim jetzigen, ausbaufähigen Aktivitätslevel jährlich um 530 Millionen Euro. Vorausgesetzt, der Sportmotor läuft…

Hans Niessl, Präsident Sport Austria: „Uns droht ab Herbst tatsächlich ein Teuerungs-Lockdown im Sportbereich. Diesmal wären es aber die Vereine, die von sich aus zusperren müssen, weil sie ohne Unterstützung die Kosten einfach nicht mehr stemmen können. In der Corona-Krise hat die Unterstützung durch die Regierung im Sport letztlich ausgezeichnet funktioniert, nun muss die Regierung auch bei der Teuerungs-Krise aktiv werden, damit die Vielfalt der österreichischen Sportkultur bewahrt werden kann. Einerseits benötigen wir eine Ausweitung der Strompreisbremse auf eine Energiepreisbremse – auch für gemeinnützige Sportvereine -, andererseits die längst fällige Erhöhung der gesetzlichen Besonderen Bundes-Sportförderung. Bei den derzeit angedachten Maßnahmen der Regierung im Kampf gegen die Teuerung muss der organisierte Sport mit seinen gemeinnützigen Vereinen bei Entlastungpaketen mitgedacht und unterstützt werden! Derartige Unterstützungen sind schlussendlich immer eine Investition. Stehen die Vereine und Sportstätten still, ist das schlecht für die Gesundheit der Bevölkerung und schlecht für das Gesundheitssystem. Außerdem stehen Arbeitsplätze auf dem Spiel.“

Dagmar Schmidt, Präsidentin SPORTUNION Wien: „Es ist 5 vor 12 für den Vereinssport. Sportvereine und -verbände können sich die Energiekosten auf den Sportstätten nicht mehr leisten. Eine Energiekostenexplosion von bis zu 500 Prozent zum Vorjahr kann nicht an gemeinnützige Vereine und deren Mitglieder weitergegeben werden. ‚Licht aus und Hallen zu‘ heißt es bald auf den Sportstätten in unserem Land. Nach der Corona-Krise stehen Vereine vor der Entscheidung, ob sie sich den Sportbetrieb überhaupt noch leisten können. Dabei leisten die Sportvereine einen zentralen Beitrag für die Gesundheit und das Wohlbefinden in unserer Gesellschaft. Es braucht daher dringend ein Energiepaket für den Sport. Die Energiekostenbremse, wie sie von der Regierung angekündigt wurde, muss auch für gemeinnützige Sportvereine gelten.“

Arno Pajek, Präsident Österreichischer Schwimmverband: „Speziell uns im Schwimmverband trifft die aktuelle Teuerungswelle ganz massiv, und wir sprechen hier nicht nur vom Spitzen-, sondern auch vom Breitensport. Schwimmen ohne geheizte Bäder und vor allem ohne geheiztes Wasser ist nicht möglich. So einfach ist das. Und wenn wir keine zusätzlichen Förderungen bekommen, dann sehen wir einer ganz tristen Zukunft entgegen. Wir als Schwimmverband haben eine der erfolgreichsten Saisonen hinter uns mit dem WM-Titel durch Felix Auböck und auch ganz aktuell dem Junioren WM-Titel durch Luka Mladenovic, dazu noch einige Silber- und Bronze-Medaillen bei WM und EM sowohl im Schwimmen als auch Synchronschwimmen durch die Alexandri-Drillinge. Bei den Olympischen Spielen in Tokio war der Schwimmverband einer der größten heimischen Sportverbände. Wenn wir unseren Kader-Athletinnen und -Athleten nicht das notwendige Umfeld und die notwendige Infrastruktur zur Verfügung stellen können, dann werden solche Leistungen künftig nicht mehr möglich sein. Ich rede hier auch von Auflösung mancher Vereine, die sich die drohenden massiven Kosten nicht mehr leisten können. Nicht für die Trainingseinheiten und auch nicht für die Auswärtsfahrten zu Wettkämpfen. Denn zu den Heizkosten kommen auch noch die extrem hohen Spritkosten. Wenn wir diese Entwicklung nicht in den Griff bekommen, dann sieht es nicht nur im Schwimmsport, sondern im gesamten österreichischen Sport ganz schlecht aus. Also müssen wir gemeinsam mit den verantwortlichen Stellen schnell brauchbare Lösungen finden, um dem entschieden und erfolgreich entgegenwirken zu können.“

Martin Ohneberg, Präsident Österreichischer Tennisverband: „Schon seit Monaten warnt der ÖTV vor der Energiekostenexplosion im Herbst. Leider gibt es seitens der Politik nur Lippenbekenntnisse und diverse Vorschläge, aber bis heute keine umgesetzten Entlastungsschritte und konkrete Hilfen für die Hallenbetreiber – und dies wenige Wochen vor Beginn der Hallensaison. Die Situation spitzt sich dadurch weiter zu. Wir wissen, dass in urbanen Bereichen wie Wien und Umgebung heuer bis zu 20 Prozent der Tennishallen nicht aufsperren wollen, weil ein kostendeckender Betrieb nicht mal annähernd möglich ist. Das hat den Verlust von Arbeitsplätzen bzw. wirtschaftliche und gesundheitliche Schädigungen zur Folge, da sich die zu geringe Hallenplatzverfügbarkeit weiter verschlimmert und viele Kinder und Erwachsene zu anderen Sportarten oder in die sportliche Inaktivität abwandern werden. Für alle anderen Tennisspielerinnen und spielern wird Hallentennis zum Luxus werden, mit massiven Preiserhöhungen und sich teils gar verdoppelnden Preisen. Es muss hier nun dringend gegengesteuert werden, wenn der Schaden nicht noch größer werden soll.“

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