Dass Bewegung gut für den Körper ist, ist allgemein bekannt: Sie stärkt die Muskulatur, stabilisiert das Herz-Kreislauf-System und erhöht die Knochendichte. Weniger bekannt ist, dass Bewegung auch gut für die Verbesserung der Konzentrationsfähigkeit und den Lernerfolg ist. Wer sich bewegt, fördert die Durchblutung und den Sauerstofffluss zu seinem Gehirn und unterstützt damit die kognitive Funktion. Wie Studien belegen, verbessert regelmäßige körperliche Aktivität die Aufmerksamkeit, das Arbeitsgedächtnis, die Problemlösungskompetenz und die Lernfähigkeit von Kindern deutlich. Die Stimmung und – besonders wichtig in der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen – das Selbstwertgefühlt werden durch die Ausschüttung von Serotonin verbessert. Bewegung erhöht aber auch den Dopamin-Spiegel, der wiederum Lern- und Wachstumsfunktionen im Gehirn verbessert.
Wir haben es selbst in der Hand
Auch die Fähigkeit des Gehirns, sich anzupassen und neue Verbindungen zu bilden, wird durch Bewegung gefördert. Die Neuroplastizität, wie dies im Fachjargon genannt wird, ist besonders wichtig für das Lernen und die Entwicklung neuer Fähigkeiten. Eine besondere Bedeutung hat dabei der Botenstoff BDNF (Brain Derived Neurotropic Factor). Dieser wirkt wie Humus für die Bildung neuer Gehirnzellen und ermöglicht dadurch die Neuroplastizität im Gehirn. Wichtig zu wissen ist, dass jeder Mensch Einfluss auf seinen BDNF-Spiegel nehmen kann. Die wesentlichen Faktoren dafür sind gesunde Ernährung, Schlaf, gutes Stressmanagement – und insbesondere Bewegung und Sport. Ein Mangel an BDNF führt zu Schlafstörungen und psychischen Erkrankungen, was auch Auswirkungen der Corona-Pandemie zeigen. In einer neuen wissenschaftlichen Untersuchung kommt die Universitätsklinik Genua zum Schluss, dass 88,5% der Mädchen während der Pandemie völlig mit körperlicher Bewegung bzw. Sport aufgehört haben. Dieser Mangel an Bewegung ist laut Studie auch ein wesentlicher Einflussfaktor für die starke Zunahme von Fällen extrem früher Pubertät bei Mädchen (Fava et al., 2023, https://doi.org/10.1210/jendso/bvad094).
Nichts ist fix – selbst die Gene nicht
Für die generelle Entwicklung von Kindern ist gerade das Erlernen von neuen Bewegungsformen von enormer Bedeutung. Kinder „er-fassen“ ihre Umwelt in erster Linie durch Aktivität und lernen dadurch leichter als durch Abstraktion. Bewegtes Lernen, also das Lernen in Kombination mit Bewegungsaufgaben, fördert die Netzwerkverbindungen im Gehirn. Deswegen ist das Bewegte Lernen ein wesentlicher Baustein im 3-Säulen-Modell der Täglichen Bewegungseinheit und soll verstärkt Einzug in Österreichs Klassenzimmer finden.
Eine weitere faszinierende Auswirkung von Bewegung zeigt eine schwedische Studie (Lindholm et al., 2014, doi: 10.4161/15592294.2014.982445): Durch regelmäßiges Training konnten bei einem Fünftel aller Gene epigenetische Veränderungen festgestellt werden: Sport und Bewegung können also sogar unsere Gene positiv verändern und unsere Zellen von innen heraus stärken und verbessern! Je früher man damit beginnt, desto besser.
1. Pilotjahr zeigt, dass das System funktioniert
Ziel des Pilotprojekts Tägliche Bewegungseinheit ist, Bewegung als Bildungsprinzip im Alltag der teilnehmenden Schulen und Kindergärten zu verankern, also einen Kulturwandel zu erreichen, um die körperlichen, motorischen und geistigen Fähigkeiten der Kinder bestmöglich zu fördern. Dabei wird auf einem 3-Säulen-Modell aufgebaut. Neben dem Bewegungs- und Sportunterricht reichen die Aktivitäten in den Schulen von Bewegten Pausen über Bewegtes Lernen bis hin zum aktiven Schulweg. In den Kindergärten werden ergänzend zum Turnen u.a. Aktivitäten wie Bewegtes Spielen durchgeführt.
Das von Expert:innen gemeinsam mit dem Sport- und dem Bildungsministerium sowie mit der Bundes-Sportorganisation Sport Austria erarbeitete Konzept basiert im Kern auf dem Erfolgsprogramm Kinder gesund bewegen 2.0 und wird künftig mit diesem zusammengeführt. Umgesetzt wird das Projekt durch die Bildungsdirektionen, Schulen, Kindergärten sowie durch die Sportdachverbände ASKÖ, ASVÖ und SPORTUNION. 967 Kindergartengruppen bzw. Schulklassen in 259 Bildungseinrichtungen haben bereits im ersten Jahr teilgenommen. Die teils euphorischen Rückmeldungen zeigen, dass das System funktioniert! Allein durch die 209 Bewegungscoaches der Dachverbände kamen Österreichs Kinder und Jugendliche in den 10 Pilotregionen zu 35.306 zusätzlichen Bewegungseinheiten. Dazu wurden 1.127 zusätzliche, wöchentlich stattfindende, Bewegungseinheiten in den Stundenplänen der Schulkassen und Wochenplänen der Kindergärten fix verankert und brachten somit ein weiteres Mehr an Bewegung. Ein Erfolg, der auch auf das gute Zusammenspiel des Sport- und Bildungsministeriums mit dem organisierten Sport und auf das große Engagement der Bundesländer, der Bildungsdirektionen und Bildungseinrichtungen zurückzuführen ist.
Tägliche Bewegung für mehr gesunde Jahre
Nach der zweijährigen Pilotphase soll das Programm mit den gewonnenen Erkenntnissen stufenweise auf alle interessierten Kindergärten und Schulen in Österreich ausgerollt werden. Eine flächendeckenden Umsetzung des Programms soll auch folgenden Zahlen der Statistik Austria mittel- bis langfristig entgegenwirken: Konnten Österreicher:innen im Jahr 2014 im Alter von 65 Jahren noch mit durchschnittlich 11,35 gesunden Jahren rechnen, waren es im Jahr 2019 nur noch 9,75 gesunde Lebensjahre… Will man diesen Trend stoppen, gibt es dafür ein geradezu perfektes Gegenmittel: Bewegung. Am besten von Kindesbeinen an…
im Auftrag der Koordinationsstelle Tägliche Bewegungseinheit