Der Brief an zwei Millionen

Niessl: "Es ist Gefahr im Verzug!"
© Sport Austria/Leo Hagen
© Sport Austria/Leo Hagen

Sportminister Werner Kogler und Finanzminister Gernot Blümel haben Mittwochvormittag im Rahmen einer Pressekonferenz ein 700 Millionen Euro-Hilfspaket für alle gemeinnützigen Organisationen – also auch für den Sport – angekündigt. Viele der 15.000 österreichischen Vereine benötigen wegen der Coronakrise rasch Hilfe. Die aktuelle Situation beschreibt Sport Austria-Präsident Hans Niessl in einem an die zwei Millionen Sportvereinsmitglieder in Österreich gerichteten offenen Brief.

Die Statements zur Sport Austria-PK mit Hans Niessl, ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel und ÖFB-Präsident Leo Windtner:

Sport Austria-Präsident Hans Niessl: „Wir von Sport Austria fordern seit Wochen eine entsprechende Entschädigung für die Sportvereine. Es wurde auch zugesagt, dass die Strukturen im April stehen, es im Mai zu Auszahlungen kommt. Das war nicht der Fall. Daher die Forderung an Vizekanzler und Sportminister Kogler, dass die Versprechen eingehalten werden. Es wurde auch bereits bekanntgegeben, dass 700 Millionen Euro an gemeinnützige Organisationen ausbezahlt werden. Einerseits an den Sport, andererseits an soziale Vereine und Kultur-Vereine. Diese 700 Millionen sind ein sehr gutes Paket, aber alles in einen Topf zu geben, halte ich für problematisch. Die Abwicklung über eine Stelle weckt die Befürchtung, dass der Sport noch länger auf Auszahlungen warten muss. Für viele Vereine ist aber Gefahr im Verzug, nämlich die Gefahr zahlungsunfähig zu werden, es drohen Auflösungen.

Der Sport hat zwei Millionen Mitglieder in Österreich, er ist damit die drittgrößte Organisation nach der Arbeiterkammer und der Katholischen Kirche. Von diesen zwei Millionen sind ca. 570.000 auch freiwillig und ehrenamtlich tätig. Das ist eine ganz besondere Leistung, denn diese Ehrenamtlichen arbeiten jahrelang oder sogar jahrzehntelang unentgeltlich für ihren Verein, um der Jugend die Möglichkeit zu geben, Sport zu betreiben. Ich betrachte die 15.000 Sportvereine in Österreich als Kitt unserer Gesellschaft. Der Zusammenhalt in unserer Gesellschaft wird in unseren Sportvereinen und allgemein in Vereinen gelebt. Der Sport macht keine Unterschiede, woher jemand kommt und was er ist. Wir fordern, dass rasch und unbürokratisch geholfen wird, noch im Mai Hilfszahlungen erfolgen. Zahlreiche Vereine stehen vor dem Aus, überlegen den Betrieb einzustellen oder zu fusionieren. Eile ist geboten, wir brauchen auch in Zukunft jeden Verein.“

ÖFB-Präsident Leo Windtner: „Mit dem Durchbruch für die Fußball-Bundesliga haben wir einen Schritt geschafft, der für den Sport hocherfreulich ist. Aber es geht nicht um die Bundesliga alleine, es geht um den Mannschaftssport schlechthin. Es wurde ein Modell entwickelt, dass auf alle Bereiche – insbesondere für den Mannschaftssport – umsetzbar ist. Das große Problem ist aber, dass in den Vereinen über mehrere Wochen der Betrieb stillstand. Wenn hier eine längere Zäsur stattfindet, besteht die Gefahr, dass wir ein Loch im Nachwuchs vorfinden.

Es geht darum, dass der existentielle Schaden für den Sport einigermaßen hintangehalten wird. Im Notfall ist nur rasche Hilfe auch wirksame Hilfe. Wir müssen alles tun, um zu verhindern, dass in einem Jahr die Sportlandschaft in Österreich nicht wiederzuerkennen ist. Es muss umgehend geholfen werden. Wir hatten gehofft, dass der Sport einen eigenen Topf bekommt, den er selbst administrieren, abwickeln kann. Wir haben dafür die Instrumentarien. Jetzt sind wir im großen Pott von 700 Millionen für die Gemeinnützigen drinnen. Gut, aber das Wichtigste ist natürlich, dass wir rasch aus den Startlöchern kommen, denn ansonsten ist es für viele Vereine zu spät. Ich hoffe, dass die eindringlichen Worte, die vom Sport kommen, von den Zuständigen in der Politik gehört werden. Es hat geheißen ‚Koste es, was es wolle‘. Das soll aber nicht nur für die Wirtschaft und gewisse Bereiche gelten, sondern auch ganz besonders für den Sport, der einen großen Wert für Gemeinwesen und Kultur in unserem Land darstellt. Daher unser Appell rasch und direkt dem Sport zu helfen.“

ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel: „Sie liegen in der Wüste, es kommt jemand vorbei, den sie um einen Schluck Wasser bitten. Dieser antwortet: ‚den bekommen sie, aber erst in drei oder fünf Tagen‘. Das nützt dann nichts mehr, denn bis dahin ist er tot. Also rasche Hilfe ist ein ganz wesentlicher Punkt.

Was mir an diesem 700 Millionen-Fonds nicht gefällt, ist, dass sich die Kultur und der Sport auseinanderleben werden. Denn jeder wird um sein Geld kämpfen wollen. Ein fixer Betrag für die Kultur und ein fixer Betrag für den Sport würde aus meiner Sicht mehr Sinn machen. Wir vom Skiverband hatten zwar Glück, dass die Saison Mitte März eigentlich gelaufen war und auch dank der guten Zusammenarbeit mit dem Sportministerium seit 4. Mai wieder trainieren können. Aber unsere vielen Vereine stehen vor dem Nichts, da die Zukunft sehr ungewiss ist.

Sehr am Herzen liegt mir auch der Schulsport, den es jetzt einmal nicht geben soll. Es ist völlig unverständlich. Sport in der Schule kann man im Freien ausüben. Wir versäumen so, sehr, sehr viel. Sport ist für die Volksgesundheit ein ganz wesentlicher Punkt.“

(im Auftrag von Sport Austria)

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